Dirk Hauer Der bizarre Klang der Revolte aus ak mehr ...
(...) ein vorzüglicher Sammelband, dessen 17 Beiträge die unterschiedlichsten Facetten nicht nur der Inhalte von Agit 883 analysieren, sondern auch die Westberliner »Scene« und generell Strukturen und Konzepte der Gegenkultur in den Blick nehmen. ... Wer einen treffenden, vorzüglich informierten und auf dem neuesten Stand der Forschung argumentierenden Abriss zu Struktur, Motivation, Praxis und Bedeutung der Sub- und Gegenkultur sucht, wird hier hervorragend bedient. In zahlreichen Facetten wird dieses zwischen studentischer Politik (Rote Zellen), Stadtteil- und Betriebsarbeit (Basisgruppen) und lebensstilorientierten Subkulturen schillernde Milieu dargestellt und die Rolle von Agit 883 beschrieben. ... ein schillernd buntes, sympathisches, aber zugleich häufig kritisch abwägendes Kompendium zur Sozial- und Kulturgeschichte des Linksradikalismus der frühen siebziger Jahre, das für die künftige Forschung unverzichtbar ist. Das in Deutschland mit Abstand größte lokale Milieu dieser Subkultur über einen mediengeschichtlichen Blickwinkel weit erschlossen zu haben, ist ihr großes Verdienst.
aus IWK 2-3/2006
Jürgen Heiser Lust an der Revolte aus junge welt mehr ...
Gerhard Hanloser Aus einer anderen Zeit aus jungle world 48/2006 mehr ...
Birgit Hofmann aus Kultura-Extra mehr ...
Walter Delabar Die Mutter aller Stadtmagazine aus literaturkritik.de mehr ...
Für die Diskussion um »68 und die Folgen«, seit Jahren ein geschichtspolitischer Dauerbrenner und spätestens 2008 wieder in aller Munde, erschließen die Herausgeber eine wichtige Phase des Übergangs. »Agit 883« erschien von 1969 bis 1972, also in der Zeit, die im Rückblick zwischen dem »guten 1968« und dem »bösen roten Jahrzehnt« der K-Gruppen und Militanten liegt. Während das eine »als Anstoß zur Liberalisierung und Modernisierung der westdeutschen Gesellschaft inzwischen überwiegend positiv besetzt« sei, schreiben Knud Andresen, Markus Mohr und Hartmut Rübner im Vorwort, würden die Folgejahre mit ihren »maoistischen Parteien und dem bewaffneten Kampf, der zumeist mit der RAF gleichgesetzt wird«, in der Regel scharf verurteilt. Diese Spaltung ist auch konstitutiv für die heute übliche Selbstdistanzierung einstiger Protagonisten, die auf die Anerkennung, dabei gewesen zu sein, dennoch nicht verzichten wollen: Am guten Anfang lief man noch mit, aber vom bösen Ende hat man sich schon früh losgesagt – bzw. gerade noch rechtzeitig. Die Herausgeber – der Kollektivname »rotaprint 25« nimmt die Bezeichnung der Offsetdruckmaschine auf, mit der die »Agit 883« gedruckt wurde – sehen die Jahre 1969 und 1970 dagegen »vor allem als Suchbewegung, in denen sich bewaffnete und militante Gruppen, egalitäre kommunistische Basisgruppen und Parteien, Studentenzirkel, Musikbands, autonome Selbsthilfegruppen, Frauengruppen und Subkulturen herausbildeten und verstetigten«. Das »komplizierte Palästinaproblem«, auf das sich auch Kraushaar gestürzt hat, wird dabei nicht verschwiegen. Auch in der »Agit 883«, so Andresen, habe ein Teil der für die Zeit nicht unüblichen antizionistischen Argumente »auf einem antisemitischen Kern« basiert. Mit dem Lesebuch kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Tom Strohschneider Gutes 68, böses rotes Jahrzehnt aus ND
Sarah Ernst Von A zur agit 883 aus reflect mehr ...
Das von Rotaprint 25 umfassend recherchierte Buch »Bewegung Revolte Underground in Westberlin 1969-1972« fächert in mehreren Aufsätzen viele Ungereimtheiten der 60er Jahre auf, die im lustvoll betriebenen und an linke Debatten gebundenen »Agit 883«-Unternehmen zwangsläufig aneinander geraten mussten. Nach 1968, erläutern die Herausgeber, habe es eine Phase der erweiterten Suche gegeben, die heute schlicht als Periode der dogmatischen Versteinerung mit einem gehörigen Potenzial krimineller Energie dargestellt werde. ... Einigermaßen beruhigend, dass das offensichtlich nicht die ganze Wahrheit sein kann, weil es Dokumente gibt, die eine andere Sprache sprechen. So beschäftigen sich die Aufsätze nicht mit diffusen Möglichkeiten des Widerstands, sondern mit den Facetten einer tatsächlichen »Gegengesellschaft«, als Kontext, ohne den die »Agit 883« nicht denkbar wäre. Deren »Konturen«, »Horizonte« und »Auseinandersetzungen« überschatten die Kapitel, die sich mit der polizeilichen Verfolgung der Zeitung ebenso beschäftigen wie mit dem Bezug der Macher zur Arbeiterbewegung oder dem Antisemitismus in der Linken. Auch die militante Fraktion der emanzipativen Kräfte hat sich nicht nur über Notwendigkeiten wie den Kampf gegen den Rassismus, sondern außerdem über Dummheiten konstituiert, die weder verschwiegen noch schöngeredet werden. ... Die antiautoritäre Einstellung der »Agit 883«-Produzenten stieß auf Autoritäten wie »Geschlechtergrenze« oder »kultureller Unterschied«, um mal ihre populärsten Diskurs-Inkarnationen zu nennen. Die »Marginalisierten« wollten sich nicht so an die Hand nehmen lassen, wie mancher Rebell es geplant hatte. Vielleicht ist das eins der Motive, die bestimmte Teile der militanten und emanzipativen Bewegung als demokratische Repräsentanten ins Parlament trieben, womöglich gar in der ehrlichen Überzeugung, dort effizienter handeln zu können. Manche ihrer Vertreter machten Karriere. Die Zeitung »Agit 883«, die niemals unter dem Stern einer Partei oder eines Dogmas stand, ging dagegen sang- und klanglos ein. Doch in ihrem Tod liegt – man lese das Buch! – ein nicht zu unterschätzender Gewinn. Die »Agit«-Geschichte ist ein Zeugnis maximalfordernder Kritik, ähnlich wie Benjamin sie einklagte. ... Heute kann man sagen: Sie sind gescheitert. Aber wer würde das nicht von sich behaupten?
Wolfgang Frömberg aus Spex
Ansgar Warner Lasst das revolutionäre Layout sprechen! aus taz mehr ...