Gottfried Oy Geliebter Verrat, verhasster Verräter aus Frankfurter Rundschau mehr ...
Thomas Wörtche Crimewatch Nr. 87 aus Freitag 32/04 mehr ...
Carpet Crawler Spitzel & Agents provocateurs aus Graswurzelrevolution mehr ...
Die Sozialgeschichte des Spitzels: Ein Buch, das man nicht allein lesen sollte. Der von Markus Mohr und Klaus Viehmann herausgegebene Band »Spitzel - Eine kleine Sozialgeschichte« enthält keine geschlossene Analyse, stellt aber den längst überfälligen Versuch dar, das Thema in die öffentliche Debatte zu bringen. Die Herausgeber grenzen das Objekt ihrer Betrachtungen klar ein: »Auch wenn ein Spitzel denunziert, so ist er doch von der Figur des Denunzianten zu unterscheiden. Ein Spitzel nutzt nicht bloß Gelegenheiten aus, er hat den Auftrag, sie aktiv herzustellen. So steht selbst der Verräter noch über ihm. Zwar verrät auch ein Spitzel, aber im Unterschied zum Verräter hat er nie die Sache oder die politischen Ziele und Träume geteilt, für die Menschen sich einsetzen. ... Ein Spitzel [ist] aus der Perspektive aller Beteiligten einfach das allerletzte.« Kein Wunder, dass die Herausgeber erwähnen, wie »ungemein anstrengend« die Arbeit an diesem Buch war: »Wer sich über Monate mit Spitzeln beschäftigt, hat wirklich Mühe, nicht überall welche zu sehen.« Welche Medizin aber hilft gegen Spitzel? Das Buch bietet zwar keinen Beipackzettel mit konkreten Anleitungen, aber die Erkenntnis: Der erste Schritt ist Aufklärung. Zur Ergründung des Phänomens gehen die Beiträge deshalb historisch weit zurück, etwa mit dem ersten Beitrag »Die Polizei und ihre Spitzel« über das vorrevolutionäre Paris des 18. Jahrhunderts, der gleich noch über die relativ junge Entstehungsgeschichte der Polizeien in Europa aufklärt. Leider geht der nachfolgende Beitrag » Urspitzel Judas« am Thema vorbei, denn als »Judas« bezeichnet man ja bekanntermaßen jemanden, der Verrat begangen hat, nicht aber einen Schnüffler. Doch gleich danach kehren wir mit der Geschichte des Spitzels Stieber zum Thema zurück. Dieser Stieber hatte seine vier Jahrzehnte währende Karriere mit dem Ausspionieren des Weberaufstandes in Schlesien begonnen und es bis zum preußischen Geheimrat gebracht. Schlag auf Schlag lernen wir weitere Spitzel aus der Geschichte der Klassenkämpfe kennen und stoßen bald auf Adolf Hitler, der sich 1919, als der wilhelminische Imperialismus am Boden lag, bei der Reichswehr als V-Mann verdingte. Spitzel bei Shakespeare, im Kriminalroman und im Film – auch dazu Beiträge im Buch, nicht unerlässlich, aber unterhaltsam. Fragwürdig, weil unkritisch als Artikel »aus einem beim Dokumentationszentrum Berliner Mauer angesiedelten und von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED­Diktatur« geförderten Forschungsprojekt übernommen, ist der Beitrag über Bespitzelung innerhalb der Strukturen der Grenzpolizei der DDR in den fünfziger Jahren. Zum Glück lassen es die Herausgeber mit diesem und einem Beitrag über »IM Raffelt« bewenden, bevor wieder jene bedient werden, die immer schon wussten, dass »links gleich rechts« ist, sich als »Mitte« wähnen und den heutigen Polizeiminister Schily auf seinen Posten gehievt haben, von dem aus er vor allem Einwanderer rastern und bespitzeln lässt. Wer mit diesen Kräften nicht in ein Horn stoßen will, muss DDR-Geschichte anders und differenzierter aufarbeiten. In der zweiten Hälfte des Bandes findet sich Material, aus dem sich Lehren für die Linke und außerparlamentarische Bewegungen in Gesamtdeutschland ziehen lassen, denn heute haben wir es in West und Ost nur noch mit jener Traditionslinie von Staatsschützern zu tun, die sich im Zickzack von Bismarcks Sozialistenjägern bis in den aktuellen Sicherheitsapparat zieht. Die Bespitzelung der APO, Schnüffelarbeit des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen die Bottroper DKP und IG-Metall-Betriebsräte bei Opel Bochum, der Einsatz von Spitzeln gegen die Anti-AKW-Bewegung, linke Gruppen und Gefangene diente und dient dem simplen Zweck, oppositionelle Strömungen zu infiltrieren, unter Kontrolle zu halten und je nach Lage der Dinge Tatbestände zu schaffen, die sich in Gerichtsurteile und Haftstrafen verwandeln lassen. Dass das nicht immer klappt, hat der im Buch detailliert behandelte Fall des 1974 als Spitzel und Verräter erschossenen Studenten Ulrich Schmücker gezeigt. Kriminelles Handeln staatlicher Stellen bis hin zur Mordanstiftung oder seiner Duldung ist möglich, wenn der Zweck die Mittel heiligt. Lernen wir daraus: Wo Spitzel eingesetzt werden, ist die Scheidewand zu rechtsfreien Räumen und extralegalem Handeln oft dünner als das Papier, auf dem der Spitzel seine Verpflichtungserklärung unterzeichnet hat. Die erst im Jahr 2000 aufgeflogene systematische Spitzelarbeit des Münchner Agenten Manfred Schlickenrieder, der das vorgeblich linke Doku-Projekt »Gruppe 2« zwei Jahrzehnte lang perfekt zur Tarnung nutzte, ist ein Paradebeispiel für die heutige Ausforschung der europäischen Linken, in deren Systematik sich zeigt, wie die staatlichen Dienste den »inneren Spannungsfall« gesellschaftlicher Unruhen vorwegnehmen wollen. Die elektronisch gestützten polizeilichen und militärischen Spitzel- und Überwachungsnetzwerke sind umfassender, als manche glauben wollen. Aber sie leiden alle am entscheidenden Faktor, und das ist der Mensch - auf beiden Seiten der Barrikade. Die Geschichte aller Diktaturen beweist es, und das zeigt auch diese »kleine Sozialgeschichte« des Spitzels. Sie ist nicht perfekt, aber sie sollte fortgeschrieben werden, weshalb die Herausgeber in der Einleitung empfehlen: »Wir können nur davor warnen, sich quasi kriminalistisch über längere Zeit und womöglich alleine damit zu befassen. Wer das tut, wird vielleicht zum Spezialisten für Spitzel, aber auch paranoid. Davor hat uns geschützt, dass wir dieses Buch nicht als reine Recherche- oder Fallsammlung angelegt haben, sondern die historische und gesellschaftliche Dimension des Phänomens Spitzel stärker gewichtet haben.«
Jürgen Heiser Das Allerletzte aus junge welt
Anke Schwarzer Spione, die uns nicht liebten aus jungle world 31/04 mehr ...
Weil Marx von der Ablösung der Staatsgewalt durch die »freie Assoziation der Produzenten« sprach, nannte sich ein Verlag Anfang der siebziger Jahre »Verlag Association«. Daraus wurde in den Achtzigern die »libertäre Assoziation«, die sich kürzlich mit der Kooperative »Schwarze Risse« zum Verlag »Assoziation A« vereinigte. Ein traditionsreiches Verlagshaus also, in dem viele schöne Bücher erscheinen, mit denen sich trefflich die Zeit vertreiben läßt, die vor uns liegt, bis endlich mal so viele Produzenten frei sich vereinigt haben, daß wir die blöde Staatsgewalt ohne das übliche Geballere und lästige Kaputtgemache auf den Misthaufen der Geschichte fegen können. Unter www.assoziation-a.de finden wir die drei lesenswerten Romane des einst polizeilich gesuchten Italieners Nanni Balestrini (einen davon in meiner beispiellosen Übersetzung: Wir wollen alles!). Vieles über Flüchtlinge, Emigranten und die Segnungen der Globalisierung ist da erschienen, auch Gaby Webers "Die Verschwundenen von Mercedes Benz", "Die Geburt der dritten Welt" von Mike Davis und Dario Azzelinis Buch über Paramilitärs, Warlords, Privatarmeen und die neue Kriegsordnung stehen auf der Backlist. So besteht das Programm fast ganz aus geistigen Spreng- und Stinkbomben, nicht frei von Sympathie für handfeste Schandtaten wie Klaus Schönbergers Theorie und Praxis des Bankraubs – Lesefutter für Subversive, deren Abneigung gegen obrigkeitliches Getue so weit geht, daß sie dem Staat nicht einmal das Recht auf Selbstverteidigung einräumen. Auf die Knie mit dem Monster. Soviel zur A-Assoziation, und soviel Lob muß sein, da die Enttäuschten der Sechziger-Revolten nur noch wehklagen können, daß es keine richtige Opposition mehr gebe, keinen Widerstandsgeist und keine latente Gewaltbereitschaft. Es gibt sie, man kann sie kaufen, im Buchladen, und natürlich auch bei Libri und Amazon. Das Werk des Verlagshauses, das heute zu empfehlen ist, behandelt fast ausschließlich eine oft unterschätzte Gemeinheit des repressiven Staates: Die seit Olims Zeiten geübte Praxis, verdächtige Subjekte nicht nur von den dazu berufenen Organen ausspähen zu lassen, sondern auch quasi inoffizielle Figuren zum Schutz der herrschenden Klassen einzusetzen. Das Buch ist ein echter Schmöker ... Zur Website von "konkret" kommen Sie xxxwww.konkret-verlage.de/kvv/kvv.phpxxxhier!xxx
Peter O. Chotjewitz Lizenz zum Schnüffeln aus konkret
Andreas Bodden Historisch interessante Bestandsaufnahme aus philtrat Nr. 60 mehr ...
Ulrich Enzensberger Verwirrung und Leidenschaft aus taz-mag mehr ...